Haus der jüdischen Geschichte und Kultur von Baden
EIN LEUCHTTURMPROJEKT FÜR BRUCHSAL
 

Bericht aus der Bruchsaler Rundschau vom 8. November 2023














Die Bruchsaler Synagoge 1881 bis 1938


Die Bruchsaler Synagoge um 1900. Foto: privat

Nachdem die Bruchsaler jüdische Gemeinde in den 1870er Jahren auf über 700 Mitglieder angewachsen war, wurde der Neubau eines neuen Gottes­hauses unumgänglich.


Im September 1881 feierte die jüdische Ge­meinde die Synagogenweihe des aus eigenen Mitteln für 140.000 Mark erstellten Gebäudes.


Zeitgenössischer Zeitungsbericht: „Dieser Bau [gereiche] in gleichem Maße der israelitischen Gemeinde zur Freude wie der ganzen Stadt zur Zierde.“


Von 1926 bis 1928 wurde das markante Gebäu­de renoviert. Der Innenraum wurde durch den in Bruchsal geborenen Maler Leo Kahn (1894 – 1983) neu ausgemalt, ein viel beachtetes, "unerhörtes Unternehmen".


Wilhelm Sedlmayer, Kunsthistoriker, 1929:Für Jahrzehnte, ja Jahrhunderte hat hier Leo Kahn seinen Namen unvergänglich gemacht, und spätere heimische Kunstgeschichte wird über dieses Werk nie schweigend hinweg kommen können.“


Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten wur­de die Synagoge im April 1928 unter großer An­teilnahme der Bevölkerung erneut geweiht.


In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 gingen in vielen deutschen Städten Synagogen in Flammen auf. Auch in Bruchsal fanden sich Fanatiker, die das hiesige jüdische Gotteshaus schän­deten und in Brand setzten.


Innenaufnahme der Bruchsaler Synagoge nach der Renovierung 1927/28 mit den neuen Wandmalereien von Leo Kahn. Foto: Stadtarchiv Bruchsal

Ernest W. Michel, Holocaust-Überlebender: „Das ganze Gebäude war von den Flammen umschlossen. Die Braunhemden der SA hatten alles was sie finden konn­ten mitgenommen und auf einen Haufen in der Straße geworfen. 'Verbrennt die Juden! verbrennt die Juden!' san­gen sie. Nach ein paar Minuten traf die Feuerwehr ein. Sie machten aber keine Anstalten, die Synagoge zu löschen.“


Hans Schmitt, 1938 Ministrant in Bruchsal: „Als wir [zur Synagoge] hinkamen sahen wir, dass sie lichter­loh brannte. Wir standen in der Nähe eines Hydranten, an dem sich ein Feuerwehrmann zu schaffen machte. Da kam aus dem Haus neben der Synagoge […] der Rabbiner gelaufen. Er ging zum Feuerwehrmann und bat mit flehender Stimme: 'So spritzen sie doch endlich!' Der antwortete: 'Wir haben kein Wasser!' Das stimmte aber nicht.“


Unbekannte Zeitzeugin:Ich war damals an der Brandstätte. Die SA-Männer, die da herum standen, waren alle in Uniform. Der Jude Aron Kahn, der neben mir stand, sagte: 'Das wird wieder einmal aufgebaut!'“.


Die schrecklichen Vorgänge der nachfolgenden Jahre sind uns allen bekannt und führten zu Verfolgung, Deportation und Ermordung unse­rer jüdischen Mitbürger. 1939 wurde der 2. Welt­krieg, der 80 Millionen Menschen das Leben kostete, von Nazi-Deutschland entfesselt. Am 1. März 1945 starben in Bruchsal durch einen Luft­angriff etwa 1.000 Menschen.


Die Bruchsaler Synagoge nach ihrer Zerstörung im November 1938. Foto: Stadtarchiv Bruchsal

Bereits im September 1939 erwarb die Stadt das Synagogengrundstück und sprengte die Ruine. Anfang der 1950er Jahre ging das Grundstück durch einen Vertrag mit der jüdi­schen Vermögensverwaltung JSRO rechtmäßig in den Besitz der Stadt Bruchsal über.


Kurz danach wurde auf diesem Gelände ein Feuerwehrhaus gebaut und im November 1953 bezogen. Dies ist der einzige bis heute bekann­te Fall, dass auf dem Gelände einer Synagoge, deren Brand die Feuerwehr nicht löschte, später ein Feuerwehrhaus errichtet wurde.


Rainer Kaufmann, Buchautor und Journalist:Paul Schrag, Buchautor mit jüdischen Wurzeln in Bruchsal, erzählte mir, er sei erstmals seit seiner Auswanderung wieder in Bruchsal gewesen, habe natürlich den Platz der ehemaligen Synagoge gesucht und darauf ausgerechnet ein Feuerwehrhaus vorgefunden. Er schaute mich lange schweigend und mit vorwurfsvollem, fast verzweifeltem Blick an, um dann zu sagen: „Wisst Ihr nicht, dass man das nicht darf!“  Wisst Ihr nicht, dass man das nicht darf. Diesen Satz habe ich bis heute nicht vergessen. Und das, was man nicht darf, ist bis heute Realität in Bruchsal. Ohne jede Diskussion. Es ist halt so.“


© Rolf Schmitt, Bruchsal





 
 
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