Haus der jüdischen Geschichte und Kultur von Baden
EIN LEUCHTTURMPROJEKT FÜR BRUCHSAL
 

Die Geschichte eines Grundstückes


Dr. Jürgen Krüger, Karlsruhe, Professor für Kunstgeschichte: 

Flugzeugaufnahme der Bruchsaler Innenstadt. Aufgenommen ca. 1920. Foto: privat

Ob man sich der Bedeutung dieses Vorgehens bewusst war? Ausgerechnet ein Feuerwehrhaus, wo doch die Feuerwehr den Brand der Synagoge an der gleichen Stelle damals nicht gelöscht hatte.“


  • Bereits im Mittelalter gab es in Bruchsal eine Synagoge.

  • 1801 Bau der ersten neuzeitlichen Bruchsaler Synagoge auf diesem Platz.
  • Mitte 1880 Die bestehende Synagoge kann die etwa 700 Mitglieder umfassende israelitische Gemeinde nicht mehr aufnehmen. Mit dem Bau der neuen Synagoge wird begonnen.

  • September 1881 Einweihung der neu errichteten Synagoge, die 140.000 Mark (nach heutiger Kaufkraft etwa 1,5 Millionen Euro) kostete und aus eigenen Mitteln der jüdischen Gemeinde finanziert wurde.

  • 1926 - 1928 Die Synagoge wird umfassend renoviert. Über die Kosten der Renovierung und des Ausbaues liegen keine Unterlagen vor.

  • April 1928 Erneute Einweihung nach Abschluss der umfangreichen Renovierungsarbeiten.

  • 09. November 1938 Die Synagoge wird niedergebrannt, die Bruchsaler Feuerwehr löscht den Brand nicht. Die Mauern der Synagoge werden 1939 gesprengt.

  • September 1939 Die Stadt Bruchsal erwirbt das Grundstück im September 1939 für 8.500 Reichsmark. Der Verkehrswert des Grundstückes zu diesem Zeitpunkt (ohne Synagogengebäude!) 11.700 Reichsmark.
  • Mai 1950 Auf Beschluss des Gemeinderates wird ein Teilstück auf dem Gelände der früheren Pestalozzischule am Friedrichsplatz zum Bau eines neuen Feuerwehrhauses bestimmt.
  • Mai 1950 Es existiert bereits ein Plan mit Darstellung des Feuerwehrhauses auf dem Gelände der ehemaligen Pestalozzischule.

  • November 1950 Dem Landkreis ist der Kaufpreis zu hoch und bietet daher nur 8.000 DM: "Der Landrat des Kreises hatte sich in seiner vorgefassten Meinung, es käme nur ein Preis von DM 8.000,-- in Frage, so festgefahren, dass er von seiner Meinung, die unserer Auffassung nach eine reine Prinzipienreiterei darstellte, nicht mehr abgebracht werden konnte." "Inzwischen haben wir aber gehört, dass man in Bruchsal doch weiterhin Wert darauf legen zu scheint, dass die Landwirtschaftsschule auf dem rückerstatteten Grundstück gebaut wird." (JRSO Mannheim)

  • März 1951 Die Stadt Bruchsal beabsichtigt, auf dem neben dem Synagogengrundstück liegenden Grundstück der Pestalozzischule ein Feuerwehrhaus zu bauen. Der Gemeinderat beschließt im Mai den Bau.

  • 10. Mai 1951 Der Gemeindrat beschließt den Bau eines neuen Feuerwehrhauses am Friedrichsplatz, vormals Pestalozzischule.

  • 21. Mai 1951 Die Stadt Bruchsal bekundet ihr Interesse der JRSO gegenüber an dem Synagogengrundstück für einen Pauschalbetrag von 8.800 DM: „Dieser Preis übersteigt zweifellos den gemeinen Wert […], da dasselbe trotz seiner zentralen Lage zur Bebauung unmittelbar nicht geeignet ist und erst durch kostspielige Arbeiten baureif gemacht werden muss. Die Beseitigung der Splittergräben, die das ganze Grundstück durchziehen, wird bedeutende Aufwendungen notwendig machen. Bei der Verbauung des Grundstückes, dessen Boden bis zur Tiefe von 5 m durch Bodeneinschläge zerwühlt ist, werden große Mehrkosten für die Gründung erforderlich sein. Da jedoch die Nachbargrundstücke im Eigentum der Stadtgemeinde sind, dient das Synagogengrundstück zur Arrondierung [Zusammenlegung] derselben. Das Stadtbauamt ist sich vorgeblich nicht sicher, ob der Stadtrat überhaupt vom Kauf zu überzeugen sei: "Ob diese [...] fachlichen Gründe den Stadtrat zu überzeugen geeignet sein werden, wird wohl davon abhängen, inwieweit seitens Ihrer Verwaltung ein tragbarer Preis zugestanden werden kann."

  • 30. Mai 1951 Die JRSO leitet den Verkauf ein. "Es handelt sich in der Tat um ein außerordentlich schwer verwertbares Objekt, da das Grundstück mit Splittergräben aus Beton völlig durchzogen ist und irgendein anderer Interessent als die Stadt kaum gefunden werden dürfte." [...], dass erhebliche Mittel, wahrscheinlich über 4.000.- DM, aufgewendet werden müssen, um das Grundstück überhaupt bebaubar oder verwendbar zu machen." (Dr. Barry)
  • 08. Juni 1951 Der Bauausschuss schlägt vor, das geplante Feuerwehrhaus "an der Friedrichstraße vorwiegend auf dem Gelände der früheren Synagoge" zu errichten.
  • 11. Juni 1951 Das Stadtbauamt schlägt dem Gemeinderat vor, das Feuerwehrhaus unter wesentlicher Beibehaltung der Pläne "nicht am Friedrichsplatz, sondern an der Friedrichstraße auf dem Gelände der früheren Synagoge aufzustellen".
  • 11. Juni 1951 "Der Gemeinderat pflichtet diesem neuen Vorschlag ebenfalls bei."
Das Feuerwehrhaus heute, mit einer zeitgenössischen Ansicht der Synagoge um 1900. Foto: privat

  • 14. Juni 1951 Der Unterhändler der JRSO wird ermächtigt, das Grundstück für 8.800 DM zu verkaufen.

  • 16. Juli 1951 Erster zeichnerischer Plan des Feuerwehrhauses auf dem Synagogenplatz.

  • Juli 1951 Baubescheid und Genehmigung des Baugesuchs durch den Landrat.

  • 13. August 1951 Notarieller Kaufvertrag zwischen Stadt Bruchsal und JRSO. Kaufpreis 8.800 DM.

  • Oktober 1951 Beginn der Rohbauarbeiten für das neue Feuerwehrhaus.

  • März 1953 Richtfest der neuen Feuerwehrwache auf dem Synagogengelände.

  • November 1953 Einzug der Feuerwehr in das neue Feuerwehrhaus auf dem Platz der früheren Synagoge.

  • 2020 Die Bruchsaler Feuerwehr verlässt das Feuerwehrhaus in der Friedrichstraße.


Nach den vorliegenden Unterlagen hat die Stadt Bruchsal die jüdische Gemeinde für die zerstörte Synagoge nicht angemessen entschädigt.


© Rolf Schmitt

 
 
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