Haus der jüdischen Geschichte und Kultur von Baden
EIN LEUCHTTURMPROJEKT FÜR BRUCHSAL
 

Aus Bruchsals jüdischer Geschichte


In der bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zum Bistum Speyer gehörenden Stadt Bruchsal bestand bereits im Mittelalter eine jüdische Gemeinde und in der Neuzeit bis 1938. Im Mittelalter wurden 1288 erstmals Juden genannt. Die Verfolgung in der Pestzeit 1348 zerstörte die jüdische Gemeinde. Erst 1381 wurde wieder ein Jude aufgenommen, weitere konnten in den folgenden Jahren zuziehen. Im 15. und 16. Jahrhundert schweigen die Quellen. Vermutlich waren in dieser Zeit nur vereinzelt Juden in der Stadt.


Erst seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges lebten wieder Juden in Bruchsal, die erste Nennung war 1619. 1685 wurden 18 jüdische Familien in der Stadt gezählt, 1740 elf Familien.  


1809 erkannte das junge Großherzogtum Baden als erster Staat in Deutschland die jüdische Religionsgemeinschaft an. Das Badische Judenedikt brachte 1862 die staatsbürgerliche Gleichstellung von Juden. Dadurch integrierten sich die badischen Juden zunehmend in der Mehrheitsgesellschaft, so auch in Bruchsal. Daher waren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die Bruchsaler Juden von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die Stadt. Der Tabak- und Hopfengroßhandel sowie die Tabakwarenproduktion und Malzfabriken waren weitgehend in deren Hand. Mehrere wichtige Industrie- und Handelsbetriebe, wie beispielsweise die Herdfabrik Falk, das Kaufhaus Knopf oder die Farbenfabrik Gebr. Katzauer wurden von jüdischen Unternehmern gegründet.


Wohnten 1825 noch 178 Juden in Bruchsal (2,6 % der Gesamtbevölkerung), waren es 1880 bereits 730 jüdische Mitbürger (6,4 %). Im Jahre 1900 gehörten 741 (5,5 %) jüdische Personen der Stadtbevölkerung an, um 1925 gehörten zur Gemeinde 603 Personen (3,7 %).


Im Ersten Weltkrieg fielen aus der Bruchsaler jüdischen Gemeinde 18 Männer.


Bis zu Beginn der NS-Zeit war das Verhältnis der jüdischen zur nichtjüdischen Stadtbevölkerung überwiegend ohne Probleme. Jüdische Bürger waren im Stadtrat, im Bürgerausschuss und im Kreisrat in Bruchsal vertreten. Sie unterstützten durch ihre Mitgliedschaft u.a. das Rote Kreuz sowie Gesangs-, Turn- und Sportvereine. Wie andere jüdische Mitbürger gehörte auch Otto Schlossberger ebenso wie Vater und Sohn Bärtig der Bruchsaler Feuerwehr an.


Die christlichen karitativen Einrichtungen, hauptsächlich die katholischen und evangelischen Krankenschwestern, wurden von jüdischen Mitbürgern gefördert, so beispielsweise das St. Josefshaus durch Louis Oppenheimer.


Gerade in der Blütezeit des Bruchsaler Karnevals (Große Carneval-Gesellschaft Bruchsal, heute Große Karnevalsgesellschaft e.V. 1879 Bruchsal (GroKaGe)) um 1900 nahmen auch etliche jüdische Einwohner an den Karnevalsveranstaltungen regen Anteil. Der jüdische Mitbürger Otto Oppenheimer schrieb die heute noch gesungene Lokalhymne „De Brusler Dorscht“ für seine Mit-Fasnachter. Weit über die Stadt hinaus genoss der für seine Wohltätigkeit bekannte Tuchgroßhändler Jacob Oppenheimer großes Ansehen. Er war Vorsitzender des Landeswaisenvereins, organisierte im 1. Weltkrie die Kriegsfürsorgesammlungen und leitete im Winter 1932/33 die Städtische Nothilfe. Im September 1933 verstarb Jacob Oppenheimer und erhielt noch ein Ehrenbegräbnis und zahlreiche Nachrufe von jüdischer und christlicher Seite.
 
1933 wurden 501 jüdische Einwohner in Bruchsal gezählt. Die nationalsozialistische Hetze richtete sich auch hier sofort nach der nationalsozialistischen Machtergreifung gegen die jüdischen Gewerbe- und Industriebetriebe in der Stadt. Zahlreiche Restriktionen schränkten das jüdische Leben in Bruchsal ein. So durften jüdische Einwohner das städtische Schwimm- und Sonnenbad ab Mai 1934 nicht mehr betreten. Für die jüdischen Schülerinnen und Schüler wurde 1936 eine eigene Schule eingerichtet. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge geschändet und niedergebrannt, SA-Leute zertrümmerten die Schaufenster jüdischer Geschäfte. Am 22. Oktober 1940 wurden die letzten hier gebliebenen 79 jüdischen Einwohner nach Gurs deportiert. Die meisten von ihnen verstarben in Gurs oder wurden in einem Konzentrationslager ermordet.


Text nach: www.alemannia-judaica.de


 

 
 
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