Haus der jüdischen Geschichte und Kultur von Baden
EIN LEUCHTTURMPROJEKT FÜR BRUCHSAL
 

Gemeinderatssitzung vom 27. Juli 2021: Das Synagogengrundstück wird zum "Denkort Fundamente"

In seiner Sitzung vom 27. Juli 2021 hat sich der Gemeinderat mehrheitlich dafür ausgesprochen, die Idee "Denkort Fundamente" der Oberbürgermeisterin nachzuverfolgen. Danach wird unter dieser Überschrift verwirklicht das "Gedenken an die ehemalige Synagoge", "schulische Bildung in der Handelslehranstalt des Landkreises", "kulturelle und geschichtliche Bildung in Bezug auf jüdische Geschichte und Kultur" sowie "staatsbürgerliche, zivilgesellschaftliche Bildung unter Beteiligung der Landesfeuerwehrschule / des Innenministeriums", so aus der dem Gemeinderat präsentierten Vorlage.


Diese Vorlage der Stadtverwaltung ist in vielen, gerade auch in wesentlichen Punkten noch wenig detailliert und äußerst vage ausgearbeitet, so dass noch viel Arbeit bleibt, müssen doch jetzt Ideen gesammelt und konkretisiert werden. Gerade auch das "staatsbürgerliche Bildungshaus" bedarf noch einer Präzisierung durch die Stadtgesellschaft.


Aus den Stellungnahmen der Gemeinderatsfraktionen:


Für die CDU-Fraktion Prof. Dr. Werner Schnatterbeck:


Prof. Dr. Werner Schnatterbeck unterstreicht, dass in Bruchsal an dieser Stelle ein neues Kapitel Geschichte geschrieben werden kann, wo man versuchen könne, der Verantwortung gerecht zu werden, um im Wissen um die seinerzeitige Katastrophe und das moralische Versagen den Blick nach vorne zu richten. "Demokratie braucht ein ständiges Bemühen, sie in ihrem Wert zu erfassen, mit Leben zu füllen und dadurch zu stabilisieren. Deshalb spricht vieles dafür, durch geeignete Maßnahmen im Ideellen und Materiellen die Fundamente, die noch im Boden liegen, zum Anlass zu nehmen, die Fundamente der Demokratie zu stärken." Prof. Dr. Schnatterbeck zitiert Charlotte Knobloch, die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, die erklärte: "Wer beim Thema Judenhass gesellschaftlich ansetzen möchte, dessen Hebel muss die Bildung sein."  1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, so in der Tischvorlage weiter, weisen viele Facetten auf, vor allem in Nordbaden, um Bruchsal herum, wo nach dem Papier des Fördervcreins zwei Drittel aller badischen Juden lebten. Dieses Leben und seinen Beitrag zu unserer Kultur bekannt zu machen, sei auch Auftrag und Bestandteil von Bildung, die er, Prof. Dr. Werner Schnatterbeck, als Klammer des Dreiklangs der Konzeption der Verwaltung sieht. Dieser Bildungsort weise als dritte Komponente mit vermutlich eher mehr als der Hälfte der Fläche die Stärkung der Handelslehranstalt auf. Auch als Landkreisschule sei diese eine Marke in Bruchsal. Gerade hinsichtlich neuer Impulse für das urbane städtische Leben eröffnet der Referent einen weiteren Blick: "Wohnungen, Verwaltungszentralisierung, gastronomische Angebote, Grünzonen können hier entstehen. Solche Entwicklungsmöglichkeiten bieten sich mit den zwei beziehungsweise drei Säulen an, zu denen wir uns als CDU-Fraktion eindeutig bekennen. Damit wir uns nicht im Kreis drehen, müssen jetzt aber die Partner und ihre Form der Unterstützung geklärt werden." Schnatterbeck mahnt eine Aussage zum fachlich-planerischen weiteren Vorgehen an, also wie beispielsweise mit dem bisherigen Feuerwehrhau umgegangen werden solle. Seinen Vortrag fasst Schnatterbeck so zusammen: "Mit der Verlagerung der Feuerwehr wuchs uns Verantwortung zu, ein neues Kapitel Stadtgeschichte aufzuschlagen - und zwar mit der beherzten Wahrnehmung der auf der Hand liegenden umfassenden Entwicklungschancen im Wissen um die besondere Geschichte dieses Ortes."


Für die Fraktion Grüne/Neue Köpfe die Fraktionsvorsitzende Ruth Birkle:


Ruth Birkle begrüßt das Konzept zur Nachnutzung des Feuerwehrareals. Ihre Fraktion wolle bei der historischen Aufarbeitung der jüdischen Geschichte darauf achten, dass nicht am Ende ein interreligiöser Dialog Aufklärung und Kritik ersetzt. Audrücklich lobt sie die Feuerwehr für deren Offensive: "Sie stellt sich der besonderen Problematik von hierarchischen Organisationen."


Für die SPD-Fraktion die Fraktionsvorsitzende Anja Krug:


Die Fraktionsvorsitzende lobt das Gebäude als architektonisch ansprechend, in dem Begegnung, Diskurs und zeitgemäßes Erinnern stattfinden kann. Dies wäre aus Sicht der SPD ein Gewinn für Bruchsal. Angesichts des geschichtsträchtigen Ortes, an dem Geschichte und Leben einst gewaltsam ausgelöscht werden sollten, sei die Möglichkeit zur Demokratiebildung authentisch und lebendig - genau das, was die damaligen Täter abgelehnt hätten, so Frau Krug weiter. "Austausch, Bildung und Kontroversen - das braucht unsere Zivilgesellschaft!" Wünschenswert wäre aus Sicht der SPD-Fraktion, dass die dort entstehenden Räumlichkeiten auch für die Bruchsaler Zivilgesellschaft für Sitzungen und Treffen nutzbar gemacht werden können, damit ein Haus entsteht, in dem Leben und Begegnung niederschwellig möglich ist. Anja Krug nimmt auch die Nachfahren der Opfer in den Blick: "Es ist ein großes Glück, dass sich die Nachfahren der Opfer des Holocausts so fair und offen in den Prozess einbringen. Selbstverständlich sind sie uns gute Ratgeber*innen im Entscheidungsprozess, da sie Perspektiven einbringen, die über das hinausgehen, was wir als Gemeinderätinnen wissen und beurteilen können". Für ihre Fraktion lobt sie die Petition der Bruchsaler und Badener jüdischen Nachfahren und Freunde. Diese Petition gäbe wertvolle Impulse und "ist eine Geste der Versöhnung, mit der Zukunft gemeinsam gestaltet werden soll". Sie bedankt sich ausdrücklich beim Förderverein des Haus der jüdischen Geschichte und Kultur von Baden, der wertvolle Impulse gesetzt habe. Die SPD-Fraktion im Bruchsaler Gemeinderat hoffe auf die Unterstützung durch das Land Baden-Württemberg, damit ein Leuchtturmprojekt für Bruchsal und seine Bürgerinnen und Bürger entwickelt werden kann.


Für die Fraktion der Freien Wähler deren Fraktionsvorsitzender Roland Foos:


Roland Foos erläuterte, dass seine Fraktion die Nutzung des Synagogengrundstückes als Bildungsstätte im weitesten Sinne als positiv bewertet, wobei er die Handelslehranstalt als klassische Bildungsstätte sieht. Die weitere Nutzung als "Denkort Fundamente" sieht er als erweiterten Bildungsgedanken an, über die schulische Bildung hinaus, hier sieht er ein "Erinnern an eine leider vergangene jüdische Kultur in Bruchsal" und sieht "eine Auseinandersetzung mit der Geschichte mit all ihren Facetten." Foos weiter: "Wenn es dann noch gelingt, einen Beitrag zu Zivilcourage und Demokratie zu leisten, wäre dies aufgrund der Einmaligkeit dieses Standorts etwas ganz Besonderes". Er ergänzt: "Wohnen und Büros werden sicher in den angrenzenden Bereichen entstehen, warum nicht auch auf dem Kerngrundstück. Natürlich nur, soweit die Hauptnutzung als 'Lern- und Denkort' dies zulässt."


Die Stellungnahmen der anderen Fraktionen wurden uns nicht übermittelt.


Die Bruchsaler Rundschau berichtete bereits am Folgetag, 28. Juli 2021, über die Entscheidung des Gemeinderates:






Kommentar vom 31. Juli 2021 in der Bruchsaler Rundschau:


In einem kurzen Kommentar schreibt an diesem Tag die Redakteurin der Bruchsaler Rundschau, Frau Christiane Zäpfel, der Gemeinderat habe sich mit seiner Zustimmung zur weiteren Nutzung des Synagogengeländes erlaubt, ins Risiko zu gehen: "Seine Pläne sind ambitioniert. Man träumt vom Leuchtturmprojekt, will groß denken, überregional strahlen. Alles schön und gut, lobenswert." Frau Zäpfel gibt dann aber zu bedenken, dass es jetzt zum Schwur kommen müsse. Fänden sich in diesen finanziell angespannten Zeiten genügend Geldgeber für dieses Projekt? Kann das Zentrum nachhaltig finanziert werden? Nichts sei schlimmer, so Frau Zäpfel, "als als Tiger zu starten und als Bettvorleger zu landen." Frau Zäpfel weiter: "Bruchsal kann es sich nicht leisten, dass man in zehn Jahren leerstehende Räume dann doch noch zähneknirschend als Versicherungsbüros vermietet."





 
 
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